9 Handlungsempfehlungen an die Kommunalpolitik im Saarland aus mittelstandspolitischer Sicht

 < Beschluss des Landesmittelstandstags 2018 am 10.11.2018 in Püttlingen >
  • Vorausschauende, wirtschaftsfreundliche Planung gewährleisten
  • Schnelles Internet ist wichtiger Standortfaktor
  • Bedarfsgerechter Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs
  • Tourismus als wichtiger Wirtschaftsfaktor weiter in den Fokus rücken
  • Attraktivität der Ortskerne steigern
  • Schulen zukunftsfähig aufstellen und ausstatten
  • Mittelstand stärken – eigenwirtschaftliche Betätigung minimieren.
  • Schlanke Verwaltungen als Dienstleister für Bürger und Unternehmen
  • Einsparpotenziale durch Zusammenarbeit der Kommunen nutzen

· Die wirtschaftliche Entwicklung von Mittelständlern und hier insbesondere die der Handwerksbetriebe im Saarland verlief in den vergangenen Jahren dem Bundestrend folgend im Allgemeinen zufriedenstellend.

Dies spiegelt sich in vielen Zahlen wie beispielsweise der niedrigen Arbeitslosenquote, der hohen Anzahl an mittelständisch geprägten Betrieben mit durchaus sehr guter Auftragslage, einem hohen Haushaltseinkommen oder einer hohen wirtschaftlichen Zufriedenheit der hier lebenden Bevölkerung wieder.

Allerdings ist nichts so gut, dass es nicht noch verbessert werden könnte.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung im Saarland hat aus diesem Grund die folgenden neun Handlungsempfehlungen formuliert, die in den Augen der Mittelständler geeignet sind, die wirtschaftliche Stärke der Region in den kommenden fünf bis zehn Jahren zu erhalten oder gar weiter auszubauen.

Wir fordern alle kommunalpolitischen Entscheidungsträger, die nach der Kommunalwahl 2019 in Kreistag, Stadtrat oder den Gemeinderäten Verantwortung übernehmen,  dazu auf, sich dieser neun Themenfelder in der kommenden Legislaturperiode anzunehmen und unsere Empfehlungen in ihr tägliches politisches Handeln mit einzubeziehen.


Ausreichend Gewerbeflächen für Wachstum

Dank einer allgemeinen guten wirtschaftlichen Lage wollen viele Betriebe weiter wachsen und ihre Standorte ausbauen. Es mangelt allerdings in den meisten Gemeinden an geeigneten Flächenausweisungen für Industrie und Gewerbe. Daher fordern wir die Gemeinden auf, sich – unterstützt von lokaler Wirtschaftsförderung – frühzeitig Gedanken über mögliche Flächen für Gewerbe zu machen, dies mit der Landesplanung abzustimmen und auch schon vor einem konkreten Bedarf geeignete Bebauungspläne aufzustellen. Außerdem ist darauf zu achten, dass in der übergeordneten Landesplanung keine Festsetzungen getroffen werden, die einer gemeindlichen Entwicklung von Gewerbeflächen entgegenstehen. Letzteres würde Planungsprozesse unnötig verlängern, da dann notwendige Abwägungsprozesse stattfinden müssten.

Insbesondere ist auch darauf zu achten, dass der vom Wirtschaftsministerium zurzeit erarbeitete Masterplan Industrieflächen II nicht nur die Belange großer Industrieansiedlungen berücksichtigt, sondern auch den Anforderungen der mittelständischen Zulieferindustrie Rechnung trägt.

Die Gewerbesteuer ist die wichtigste originäre Einnahmequelle unserer Gemeinden. Schon allein vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Konsolidierung der Gemeindefinanzen müssen Gewerbeansiedlungen und –erweiterungen ermöglicht und unterstützt werden. So lässt sich mittelfristig erreichen, die Gewerbesteuer wieder abzusenken um als Gemeinde auch im bundesdeutschenvergleich wettbewerbsfähig zu bleiben und Abwanderungen aus steuerlichen Gründen zu verhindern.


Schnelles Internet fördern – Glasfaser statt Kupfer

Videokonferenzen, Internettelefonie und das Versenden großer Datenmengen sind bereits heute unverzichtbare Bestandteile der Kommunikation von Unternehmen untereinander oder mit ihren Kunden. Mit Blick auf das Potenzial von Industrie 4.0 und effektive Cloud-Anwendungen werden die zu übertragenden Datenvolumen in den nächsten Jahren sprunghaft ansteigen. Aus diesem Grund hat der schnelle und sichere Austausch von Daten für die Wirtschaft oberste Priorität. Die Breitbandstrategie des Bundes sieht bis zum Ende des Jahres 2018 eine flächendeckende Versorgung mit mindestens 50 Mbit/s vor. Jedoch kann dies nur ein Etappenziel auf dem Weg zu einem leistungsfähigen Breitbandnetz auf Basis von Glasfasertechnik sein. Der Umstieg auf eine leistungsfähigere Glasfasertechnik ist unverzichtbar. Daher müssen schon jetzt alle Baumaßnahmen und Ausbesserungsarbeiten an der vorhandenen Infrastruktur dazu genutzt werden, Glasfasertechnik bzw. entsprechende Leerrohre neben diese Infrastruktur einzubringen.

Vor allem aber ist es unabdingbar, dass der Ausbau von Glasfaser in Gewerbegebieten und an Standorten von Unternehmen bevorzugt vorangetrieben wird, da hier schnelle Verbindungen Voraussetzung für die unternehmerische Zukunft ist.


Zukunftsfähiger Öffentlicher Personennahverkehr

Das Saarland braucht einen verlässlichen, pünktlichen und attraktiven ÖPNV. Neben Pendlern sind insbesondere Auszubildende, die Berufsschule und Ausbildungsplatz erreichen müssen, auf einen gut ausgebauten ÖPNV angewiesen. Alle Orte, die nicht an den sogenannten Regiolinien liegen, sind derzeit ungenügend angebunden. Eine Verbesserung ist dringend geboten. Außerdem steht die aktuelle Wabenstruktur einer günstigen Nutzung des ÖPNV entgegen. Daher fordern wir die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Landkreisen und Kommunen das System des ÖPNV grundlegend zu reformieren, damit ein langfristiges Funktionieren des Nahverkehrs-Netz auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

Hierbei sollte auch modernen Mobilitätsformen Beachtung geschenkt werden. Einige innovative, internetbasierte und plattformgesteuerte Anbieter von On-Demand-Verkehr schreiben sich auf die Fahne, gerade das Mobilitätsproblem im ländlichen Raum durch neuartige Ansätze zu lösen.

Ebenso müssen die wichtigen überregionalen Bahnverbindungen nach Trier, Frankfurt, Mannheim sowie ins benachbarte Frankreich in der aktuellen Qualität erhalten bleiben bzw. weiter ausgebaut und verbessert werden. Hierauf müssen unsere Kommunalen Vertreter bei Land und Bund drängen.

Das Bundesverkehrsministerium arbeitet derzeit an der Einführung eines sogenannten Deutschlandtaktes für den nationalen Schienenfernverkehr. Für das Saarland ist von besonderer Bedeutung, dass dem Verkehrsknotenpunkt Saarbrücken als Tor zu Frankreich und mit schnellen Verbindungen nach Frankfurt und Mannheim hierbei eine besondere Rolle zukommt. An dieser Stelle ist aber aus landespolitischer Sicht darauf zu achten, dass auch der ÖPNV innerhalb des Landes optimal an diese Taktung angebunden wird.


Potenziale im Tourismus nutzen

Die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor im Saarland wächst stetig. Leuchtturmprojekte wie der CenterParcs am Bostalsee, das Weltkulturerbe Völklinger Hütte oder die Saarland-Therme in Rilchingen-Hanweiler strahlen weit über das Saarland hinaus. Ausgehend von diesen Hotspots sind schon viele weitere privatwirtschaftliche Initiativen entstanden, wie die Seezeitlodge – um nur eine zu nennen. Aber neben Bostalsee und Nationalpark oder der Biosphärenregion Bliesgau hat das Saarland viele weitere touristische Schätze wie Wanderwege, Bau- und Naturdenkmäler, Kulturelle Einrichtungen und viele weitere. Diese gilt es zu heben, besser zu vermarkten und zu vernetzen.

Insbesondere ist das Selbstverständnis der Bürger als Gastgeber für Besucher aus aller Welt zu schärfen. Tourismus ist im Saarland ein Wirtschaftsfaktor, trotzdem fühlen sich viele Bürgerinnen und Bürger von Touristen und Veranstaltungen gestört. Hier müssen alle Verantwortliche stärker zusammenarbeiten, um die Bedeutung des Tourismus für die Unternehmen des Hotel- und Gaststättengewerbes hervorzuheben.


Ortskerne attraktiver gestalten

Das Saarland ist von Tourismus geprägt. Daher ist auch die Attraktivität unserer Ortskerne von hoher Bedeutung. Es ist darauf zu achten, dass alle Sanierungen auf ein stimmiges Ortsbild abzielen. Weder sollen farblich ausgefallene Fassaden noch außergewöhnliche Gestaltungen staatlich gefördert werden. Stattdessen sollen gerade historisch wertvolle Gebäude in ihrer Sanierung geschützt, stimmige Gesamtbilder erzeugt und attraktive Ortsbilder geschaffen werden. Dabei kommt ortsansässigen Betrieben eine besondere Bedeutung zu, die regionale Handwerkstechniken beherrschen und bewahren. Bei allen Programmen soll darauf geachtet werden, dass die Zuschüsse an die Beauftragung regionaler Unternehmen gekoppelt werden.  Mittelfristig gilt es, Anreize für die Sanierung privater Anwesen in Ortskernlagen zu setzen. Dies umfasst eindeutig auch Rückbau und Neubau mit dem Ziel eines homogenen Ortsbildes.

Auch die Sauberkeit unserer Ortskerne spielt eine große Rolle. Aber statt die Reinigungskosten durch häufigere Säuberungen in die Höhe zu treiben, sollte die Qualität der Reinigungsleistung intensiver überprüft und zudem bei den Verursachern der Verschmutzungen angesetzt werden. Dafür muss das gesetzeswidrige Wegwerfen von Müll im öffentlichen Raum konsequent verfolgt und mit hohen Strafen geahndet werden. Dies sollte durch eine Marketingkampagne begleitet werden, die die Strafen für jeden verständlich deutlich macht.


Schulen besser ausstatten

In einer bundesweiten Umfrage zur Berufsschulsituation hat fast jeder zweite Ausbildungsbetrieb die veraltete Ausstattung von (Berufs-)Schulen bemängelt. Dabei wurde sowohl die fachpraktische als auch die Sachausstattung von Klassenräumen und Toiletten als nicht befriedigend bezeichnet. Die Attraktivität der dualen Berufsausbildung hängt zu einem großen Teil von der Qualität der Berufsschulen ab. Die Ausstattung der Berufsschulen ist Aufgabe der Landkreise – diese sollen dafür sorgen, dass sie den Anforderungen genügt und eine qualitativ hochwertige und zukunftsorientierte Ausbildung ermöglicht.

Um der demographischen Entwicklung Rechnung zu tragen ist es sicher sinnvoll, Berufsschulen mit Schwerpunkten umzugestalten und an verschiedenen Orten im Saarland zu zentralisieren. Gleichzeitig ist dafür Sorge zu tragen, dass diese Schwerpunktschulen mit neuester Technik und gut geschulten Lehrern ausgestattet und mit dem ÖPNV gut von allen Schülern erreichbar sind.

Doch auch die Grundschulen und Weiterführenden Schulen brauchen eine zeitgemäße Ausstattung, sowohl im Hinblick auf die Gebäude als auch auf die verwendeten Schulmaterialien. Es kann nicht sein, dass alle Schüler zu Hause mit Smartphone, Tablet bzw. PC ausgestattet sind, in der Schule aber nicht den Umgang damit lernen können. Hier fordern wir im Sinne einer ganzheitlichen Bildung eine bessere Ausstattung, damit die Schüler auf den Alltag vorbereitet werden und grundlegende Techniken am Computer nicht erst beim Arbeitgeber lernen müssen.


Weniger wirtschaftliche Betätigung von Kommunen

Die prekäre Haushaltslage der öffentlichen Hand führt dazu, dass sich die Gemeinden verstärkt über die Kernaufgaben der Daseinsvorsorge hinaus wirtschaftlich betätigen. So entsteht zunehmend ein direktes Wettbewerbsverhältnis mit privaten Unternehmen. Unterschiedliche Rahmenbedingungen für private und kommunale Akteure führen zu Wettbewerbsverzerrungen, die die Existenz mittelständischer Unternehmen und des Handwerks bedrohen. Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden darf nur dann zulässig sein, wenn ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert, da sonst die Kommunen die Leistungsfähigkeit der lokalen Wirtschaft als Steuerzahler, Arbeitgeber und Ausbilder aushöhlen. Um die Chancen für Wachstum und Beschäftigung zu verbessern, ist aber die Stärkung der mittelständischen Strukturen in den Kommunen heute nötiger denn je. Es ist nicht Aufgabe von Städten und Gemeinden, sich wirtschaftlich zu betätigen. Vielmehr sollen sie Rahmenbedingungen schaffen, die den Wettbewerb fördern und privaten Unternehmen Wertschöpfung im Sinne des Gemeinwohls erleichtern. Nach dem Subsidiaritätsprinzip darf sich eine Kommune nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn sie auf diese Weise einen öffentlichen Zweck besser und wirtschaftlicher als ein privater Anbieter erfüllen kann. Dieses Prinzip wird aber nicht immer eingehalten. Die Tätigkeiten kommunaler Wirtschaftsbetriebe gehören auf den Prüfstand.


Verwaltung optimieren und digitalisieren

Die enorme Bürokratielast zählt nach Unternehmensbefragungen zu den Schwachpunkten des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Je kleiner das Unternehmen, desto höher sind die Bürokratiekosten pro Mitarbeiter. Eine verstärkte Nutzung von E-Government kann Kosten in Unternehmen und Verwaltung reduzieren.

Hier muss konkret auch der eGo-Saar – der grundsätzlich dazu geeignet ist dieses Themenfeld zu bearbeiten – offenbar finanziell und personell besser ausgestattet werden.

Weiteres Ziel einer optimierten Verwaltung ist das zügige Begleichen von Rechnungen, die Unternehmen für erbrachte Leistungen an die Kommune stellen. Grundsätzlich ist eine Rechnung nach den gesetzlichen Regeln sofort fällig. Ist der Schuldner ein öffentlicher Auftraggeber darf eine vereinbarte längere Zahlungsfrist 30 Tage nur dann überschreiten, wenn dies ausdrücklich vereinbart und begründet ist; die Zahlungsfrist kann jedoch niemals länger als 60 Tage sein. Eine solche Begründung fehlt oft oder ist nicht stichhaltig bzw. es werden Gründe angeführt die im Verschulden der Kommune liegen. Dies ist nicht zulässig. Vor allem kleine Unternehmen wagen es aber häufig nicht, rigoros gegen säumige Schuldner vorzugehen, weil sie Angst haben, diese als Kunden zu verlieren. Daher fordern wir eine Selbstverpflichtung unserer Kommunen, die gesetzlichen Bestimmungen im Sinne unserer vor Ort ansässigen Unternehmen ohne Ausnahmen einzuhalten.


Interkommunale Zusammenarbeit weiter ausbauen

Interkommunale Zusammenarbeit ist eine wichtige Handlungsalternative für Städte, Gemeinden und Kreise. Es gibt viele gute Gründe, gemeinsam und partnerschaftlich die vorhandenen Aufgaben zu erfüllen und den erwünschten oder erforderlichen Standard zu halten oder zu erhöhen. Viele kommunale Aufgaben eignen sich für eine Zusammenarbeit. Die Anwendungsgebiete reichen von der Raumentwicklung, dem Flächenmanagement, der Planung und Entwicklung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen, der gemeinsamen Nutzung von Infrastruktur und technischen Einrichtungen bis zur gemeinsamen Beschaffung, der Gebäudewirtschaft sowie gemeinsamen Dienststellen mit spezialisiertem Personal. Insbesondere vor dem Hintergrund der nunmehr nicht mehr im Fokus stehenden Gebietsreform verlangt dieses Thema eine besondere Aufmerksamkeit.

Die Kommunen im Saarland werden ihre Aufgaben unter den gegebenen Rahmenbedingungen künftig vor allem dann wirtschaftlich und zweckmäßig wahrnehmen können, wenn sie strukturellen Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sind und in bestimmten Bereichen zusammenarbeiten. Kommunale Kooperation bietet die Chance, Kosten für die Aufgabenwahrnehmung zu senken und  auf die künftige demografische Entwicklung zu reagieren, um vorhandene Ressourcen effizient nutzen und die öffentlichen Angebote in hoher Qualität aufrechterhalten zu können. Vor allem aber bieten interkommunale Kooperationen eine Qualitätssteigerung, da einzelne Aufgaben zentral kompetent besetzt werden können. So können durch einfachere Vertretungsregelungen Redundanzen aufgebaut werden, die beispielsweise im Krankheitsfall gewährleisten, dass von der Kommune alle Aufgaben für Bürger und Unternehmer trotzdem erbracht werden können.